Es sollte spannend werden: Bereits im Vorfeld der Ratssitzung am 07. September 2023 hatten Medien wie die Rheinische Post über unseren Antrag berichtet, die Düsseldorfer Gaslaternen durch energiesparende LED-Leuchten zu ersetzen. Das lockte Protestler auf den Rathausplatz: Vor Sitzungsbeginn demonstrierten Bürger*Innen der Initiative Gaslicht, Vertreter*innen von Haus und Grund, der Düsseldorfer Jonges sowie einige Mitglieder der FDP und AfD gegen den Austausch. Ein Dialogangebot seitens OB Keller bedachte das Grüppchen mit Buh-Rufen. Was für ein Auftakt!
Schnell stand fest: Der Abend wird lang. Irgendwo zwischen Invictus Games, Haushaltsprognose und Gesundheitsbad verlor unsere Fraktion temporär das Bewusstsein. Dann ging es endlich um die Gaslaternen. Für alle, denen das Thema fremd ist, hier ein kurzer geschichtlicher Abriss:
2015: Der Streit entbrennt und gipfelt in einem Ratsbeschluss. Mindestens 4.000 Gaslaternen sollen erhalten bleiben.
2020: Im Rahmen des Masterplans „Energieeffiziente und historische Straßenbeleuchtung“ werden 9.850 der bestehenden 14.000 Laternen unter Denkmalschutz gestellt.
September 2022: Auf einen Antrag der Fraktion PARTEI-Klima hin beschließt der Rat, den Masterplan zu stoppen und zu überarbeiten. Das Moratorium wird von der Opposition auf sechs Monate beschränkt, 2023 aber verlängert.
Juni 2023: Die Fraktion PARTEI-Klima beantragt im Rat einen Stopp des Gaslaternen-Masterplans.
August 2023: Die Stadt Düsseldorf legt drei Szenarien zur Reduzierung der Gaslaternen vor.
September 2023: Die PARTEI-Klima-Fraktion legt den Antrag in veränderter Form erneut vor, diesmal mit Rückendeckung der Grünen, SPD und CDU. Die Forderung: Umstellung aller Laternen auf energieeffizienten Strombetrieb (ausgenommen im Gartendenkmal Hofgarten); Bewahrung des charakteristischen Stadtbildes durch Um- oder Nachbau sowie die Verwendung warmweißen Lichts.
Darüber sollte heute entschieden werden. Gewohnt kompetent betrat Ratsfrau Mique Mirus das Podium und eröffnete den Änderungsantrag mit den Worten:
Gewohnt gut vorbereitet, wie üblich eloquent und Kompetenz-ausstrahlend betrat Ratsfrau Mique Mirus das Podium und eröffnete den Änderungsantrag mit den Worten:
Ja, es ist ein hitziges Thema hier im Saal und draußen bei einigen Bürgern – so 1.100 Watt „heiß“ würde ich sagen. So viel benötigt eine Gaslaterne um zu funktionieren. Solide 18 Watt benötigt eine LED-Leuchte.
Damit war das brennendste Thema des Abends gesetzt. Als nächstes galt es, einigen Nebelkerzen der Gaslaternenlobby den Garaus zu machen:
Niemand möchte Gaslaternen einfach abreißen. Ziel ist der Erhalt mit klimafreundlicher und zeitgemäßer Technik. Was wir nicht wollen, ist der Erhalt eines Denkmals für die Verbrennung von fossiler Energie – koste es was es wolle.
– Mique Mirus (Ratsfrau | Die PARTEI-Klima-Fraktion)
Strom statt Gas, historische Laternen mit modernem Innenleben, das war das Anliegen der antragsstellenden Fraktionen. Und sonst nichts. Was hatten die anderen Fraktionen dazu zu sagen?
FDP-Argumente: Mathe-Tricks, Disneyland, ein Japaner und ein Angriff auf die Heimat
Die Kernbotschaft schien nicht zur FDP-Fraktion durchgedrungen zu sein. Ratsherr Mirko Rohloff ergoss sich zunächst in Dankesworten an die wütende Gaslicht-Fraktion auf dem Rathausplatz – und ignorierte anschließend die Fakten zum Antrag, in dem er in emotionalen Worten die Mär von der Laternenrettung weitersponn. Sein Vorschlag, mit den Gaslichtern gleich das historische Rathaus abzureißen, das ebenfalls eine schlechte Energiebilanz aufweise, zeugte von der großen Sachlichkeit, mit der die FDP die Debatte führte. Zielsicher verstieg er sich über verschiedene Whataboutismen, Energieexkurse und Mathe-Tricks zu der These, eine Gaslaternen-„Abholzung“ sei einer der Gründe, aus denen die AfD im Bund bei fast 20 Prozent läge. Okay! Next.
Ratsherr Ulf Montanus inszenierte sich als Ökophiler, verwies auf die Langlebigkeit von Gasleuchten, den möglichen Betrieb mit Biogas und Wasserstoff und lobte stimmte ein Loblied auf das Gaslicht an. Klimaschutz gehe auch mit Gaslaternen, man müsse stattdessen an die Großverbraucher und Gebäude ran. Die FDP sei ja auch für die Umwelt. Natürlich. Aber immerhin sei Düsseldorf die einzige Stadt weltweit, die noch ein Gaslicht-Netzwerk habe; eine Touristenattraktion von wirtschaftlichem Wert – LED-Laternen würden die Stadt bestenfalls in ein Disneyland verwandeln. Als er seine These damit untermauerte, er habe einmal einen Japaner gesehen, der eine Gaslaterne fotografierte, wurde es selbst OB Keller zu bunt: „In Düsseldorf trifft man ab und zu mal einen Japaner, das stimmt. Zum Glück.“ Kichern im Saal. Next.
Ratsherr Manfred Neuenhaus gab sich betont bürgernah und äußerte sein Bedauern, dass der Masterplan von dazumal demokratisch weggeputscht wurde. Es folgten andächtige Worte: Würde man sich vom Gaslicht verabschieden, sei es weg. Darüber müsse man sich klar sein. Und damit eine ganz bestimmte Stimmung, die Düsseldorf 120 Jahre lang geprägt habe. Amen, Bruder.
Äußerst gasnah trat auch FDP-Ratsfrau Christine Rachner auf und mahnte, die Finger bloß vom Gashahn zu lassen, sonst gingen bundesweit die Lichter aus. Ihr würden harte Zahlen zu den Kosten fehlen, außerdem würde hier ein wichtiges Stück Heimat angegriffen und engagierte Bürger*innen in die Politikverdrossenheit gedrängt. Danke, FDP, für dieses entlarvende Selbstporträt!
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Historisches Rathaus kann stehen bleiben.
Für die Grünen sprach zunächst Gaslaternenveteran Norbert Czerwinski vor. Er erinnerte an vergangene Debatten, an den Willen des Rates, CO2 einzusparen und an die explodierten Energiekosten. Zudem habe man mit dem Düsseldorfer Gaslaternen-Adé auf den EU-Beschluss reagieren müssen, ab 2045 kein Gaslicht mehr zuzulassen. Czerwinski plädierte für Bedachtsamkeit, verglich Gaslaternen mit Dampflokomotiven und nahm der Aber-die-umgerüsteten-Laternen-sehen-scheußlich-aus-Fraktion eine gute Brise Wind aus den gespannten Segeln: Die Gaslaterne vor dem Rathaus beispielsweise sei gar keine, sondern eine moderne, warmleuchtende LED-Lampe (siehe Foto). Das war bisher wohl niemandem aufgefallen.[Foto] Eine LED-Laterne direkt am Eingang des Rathauses
Ratsherr Lukas Mielczarek entlarvte die Mathe-Tricks der FDP als selektive Grünwäscherei, rechnete ebenfalls ein wenig herum und erwiderte Rohloff, man müsse das historische Rathaus nicht gleich abreißen, könne aber zumindest davon absehen, es mit Kerzen zu beleuchten. Eine gewisse Technologieoffenheit würde er sich von der Fortschrittspartei dann doch wünschen: „Geben Sie sich einen Ruck!“ Ein kluger Mann.
Christdemokratischer Battlerap – Ja zu Gaslaternen, nein zu Gaslaternen!
Die CDU gewann den Preis für den überraschendsten Gesamtauftritt. Zunächst bewies Ratsherr Philipp Thämer, dass er auch als Battlerapper hätte karrierieren können. Mit beeindruckender Coolness sortierte er die Fakten und entzauberte die Gaslichtnostalgie. Ja, die Laternen seien ein Alleinstellungsmerkmal. Aber man habe doch irgendwann auch den letzten Stadtteil ans Stromnetz angeschlossen und ihn nicht als präelektrisches Kuriosum konserviert. Es folgten Lehrverse zu Energiewirtschaft und Verhältnismäßigkeit, dann holte Thämer zur finalen Watsche gegen die Gaslichtfraktion aus, die wiederholt den Einsatz von Wasserstoff als Leuchtmittel ins Gespräch gebracht hatten: „In dem Moment, in dem Sie gasbetriebene Laternen mit Wasserstoff betreiben, sehe ich nicht, warum das denkmaltechnisch wertvoller ist als sie mit LED zu betreiben, denn beides ist nicht mehr das Original.“ Bäm. Micdrop.
CDU-Ratsherr Christian Rütz überraschte mit dem rebellischen Ansatz, gegen seine Fraktion zu stimmen. Der Kompromiss von 2020 sei richtig, Heimat- und Geschichtsbewusstsein hätten ein hohes Gewicht, es seien noch Kostenfragen offen und man solle die Laternen als Ganzes gemeinsam mit der Bürger*innenschaft erneut betrachten. Zur Wiedergutmachung folgten Lobworte in Richtung der CDU: Die Debatte sei kompromissoffen, demokratisch, lebsam und frei geführt worden. Seinem Wunsch, dies auch im Rat zu beherzigen, verlieh er mit einem Sprichwort Ausdruck: „Es ist nicht notwendig, die Laterne eines anderen auszublasen, damit die eigene heller erscheint.“ Pure Poesie!
Etwas unversöhnlicher meldete sich Ratsherr Andreas Auler zu Wort, der seine Ärmel vor allem hochgekrempelt hatte, um der FDP und den außerparlamentarischen Gaslichtfanatikern gehörig den Kopf zu waschen. Man könne ja durchaus mal leidenschaftlich „einen raushauen“, aber die Liberalen und ihre Schützlinge hätten den Bogen überspannt: CDU, SPD und Grüne als Antidemokraten zu bezeichnen, OB Keller einen lange gehegten Hass gegen die Gaslaternen zu unterstellen, Ratsleute in E-Mails und Posts als Arschlöcher und ähnliches zu beleidigen – das sei kein Umgang unter Demokraten. Word!
SPD-Ratsfrau Ursula Holtman-Schnieder stellte erst einmal klar, ihre Partei wolle die Gaslaternen seit 2014 umrüsten. Umrüstung hieße – mit Blick zur FDP – aber nicht Abholzung. Das Einzige, was hier abgeholzt würde, sei Rohloffs Beitrag, der offenbar fraktionsübergreifend für hanebüchen erachtet wurde. Ansonsten sei das Thema durch und der Ergänzungsantrag zum Die PARTEI-Klima-Anliegen aus allen Gründen richtig. Solange das Stadtbild erhalten bliebe, könne und solle man auf Gas verzichten. Peace, Schwester!
Mark Schenk (SPD) pflichtete dem bei und gemahnte Sachlichkeit. Es würde zwar eine breite Bürgerschaft das historische Erscheinungsbild der Gaslampen schätzte, anderen Leuchtmitteln aber offen gegenüberstehen. Als Bürger habe er sich von den Gaslichtpopulisten regelrecht gegaslighted gefühlt. An die Pro-Gas-Fraktion appellierte er, sich auch im Falle eines positiven Antragsbeschlusses mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen und konstruktiv zu bleiben.
Die LINKE: Nein zu Gaslaternen, ja zum Antrag – besser gestern als heute
Es war erfrischend, speziell an diesem Abend voller hitziger verbaler Einschläge auch mal eine Stimme zu hören, die nicht mal 3 Minuten brauchte, um ihren Standpunkt darzustellen. Frau Sigrid Lehmann (Die Linke) erklärte, dass man dem Antrag voll und ganz zustimmen werde. Sie bedauere, dass man ein ganzes Jahr verloren habe, denn heute vor einem Jahr habe man einen Prüfantrag gestellt, der die Umrüstung aller Gaslaternen auf LED bezweckt habe und hätte dann im März diesen Jahres das Ergebnis der Verwaltung hören können – womit man jetzt schon viel weiter gewesen sei. Dadurch hätte man diese aufgeheizte Diskussion, die viele berühren würde, vermutlich gar nicht gehabt. Man würde zwar den Antrag unterstützen, aber hätte am liebsten den eigenen von vor einem Jahr gehabt. Der Antrag sei voll mit Zahlen und da man ja an allen Ecken und Enden Klimaschutz betreiben müsse, müsste man auch die Gaslaternen auf LEDs umrüsten.
Die Stunde der Wahrheit
Weit nach der eigentlichen 20:00-Uhr-Grenze des Ratsitzung fand die Abstimmung statt, deren Ergebnis wie folgt lautete:
Dafür: PARTEI-Klima, SPD, CDU, Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen, OB Keller Enthaltungen: – Dagegen: AfD, FDP, Tierschutz / Freie Wähler, Ratsherr Rütz (CDU), Ratsherr Krücke (CDU), Ratsfrau Schröder (CDU), Ratsfrau Böcker (CDU) |
Damit wurde einmal mehr deutlich: Die PARTEI-Klima-Fraktion kann Mehrheiten schaffen, politisch bewegen und Gutes bewirken – vielleicht nicht trotz, sondern wegen unserer mitunter unkonventionellen Mittel und Methoden. Wir setzen frischen Akzente im Rat, die Düsseldorf letztlich guttun und trotz aller Vorbehalte mehrheitsfähig sind. Danke an alle, die uns ihr Vertrauen schenken!
Pünktlich zum Ende der erfolgreichen Abstimmung konnten wir noch einen Videogruß unseres Fraktionsvorsitzenden Lukas Fix auf unseren sozialen Kanälen teilen. Den wollen wir hier natürlich auch niemandem vorenthalten.
Wir haben für euch eine Nachricht von unserem Fraktionsvorsitzenden Lukas Fix, zur heutigen Ratsentscheidung welche die Gaslaternen in Düsseldorf betrifft.
Weitere Infos findet ihr in unserem Blogartikel.
https://t.co/DEWSZnWVa4#PARTEIKlima #Ratsitzung0709 #Gaslaternen pic.twitter.com/W5se5mjKpe— PARTEI-Klima-Fraktion | @ParteiKlima@nrw.social (@parteiklima) September 7, 2023